Einblicke in die Lebenswelten obdachloser Menschen
Der Raum ist winzig. Und die Ausstattung mit Bett, Stuhl und Heizkörper ausgesprochen überschaubar. Davon konnten sich auch die Besucher überzeugen, die zur Eröffnung der Ausstellung „Elisabeth hat (k)ein Bett“ auf dem Platz der weißen Rose in Marburg gekommen waren. Das Diakonische Werk Marburg-Biedenkopf bietet zum Jubiläumsjahr der Stadt mit einem Schutzcontainer Einblicke in die Lebenswelten obdachloser Menschen. Die etwa sechs Quadratmeter großen Container, von denen das Diakonische Werk dank Spendenmitteln zwei Stück anschaffen konnte, bilden dabei einen Baustein in einer Vielfalt von Hilfsangeboten für wohnungs- und obdachlose Menschen. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bekräftigte: „Wir brauchen unterschiedliche Angebote.“ Denn die Lebensgeschichten der betroffenen Menschen zeigen, dass es gilt, individuelle Lösungen zu finden. Mit dem Bibelzitat „Suche der Stadt Bestes“ verlieh der Oberbürgermeister seinem Wunsch Nachdruck, die Wohnungslosigkeit in Marburg in den nächsten fünf Jahren überwinden zu können.
Pfarrer Sven Kepper, Geschäftsführer des Diakonischen Werks, erinnerte daran, dass mit der Herbergssuche von Josef und Maria schon zu Beginn der Christenheit die Bedeutung eines schützenden Obdachs eine wesentliche Rolle gespielt hat. Tatsächlich war auch die Heilige Elisabeth, die den Marburgern sicherlich als Schutzpatronin der Armen und Kranken bekannt ist, nach dem Tod ihres Mannes mit ihren drei kleinen Kindern im Winter 1227/1228 obdachlos. Bis heute führt Obdachlosigkeit zu einer der gravierendsten sozialen Notlagen und beeinträchtigt die Betroffenen massiv in ihren Menschenrechten. Betroffene haben keine Privatsphäre, keine Türe, die sie hinter sich schließen können.
Die Container sind in den vergangenen beiden Wintern als zeitweilige Unterkunft von verschiedenen Personen gut genutzt worden. „Hier können die Menschen zur Ruhe kommen, sich geschützt fühlen und Kraft tanken“, erklärte Helmut Kretz, Fachbereichsleiter im Diakonischen Werk. Davon konnten sich auch die Besucher der Ausstellung überzeugen, denen der kleine Raum in jedem Fall deutlich komfortabler schien, wie das Leben auf der Straße oder in einem Zelt.
Zu den weiteren Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe gehört die Fachberatung Wohnen und die Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose Menschen, in der die Besucher täglich eine warme Mahlzeit erhalten können, oder auch duschen und ihre Kleidung waschen oder wechseln können. Dank finanzieller Förderung der Stadt Marburg gibt es mit der „Straßensozialarbeit“ nun zusätzlich ein aufsuchendes Angebot. 20 Wochenstunden teilen sich das Diakonische Werk und die AIDS-Hilfe e. V. dabei in einem Gemeinschaftsprojekt. „Wir wollen die Menschen da erreichen, wo sie sich aufhalten“, erklärt Kretz. Musikalisch untermalt wurde die Ausstellungseröffnung vom gemischten Chor „Ock-Tave“ aus Ockershausen. Neben einigen Liedbeiträgen sangen die Chormitglieder gemeinsam mit den Anwesenden das Lied: „Sag mir, wo die Blumen sind.“
Im Laufe des Jahres wird der Container an folgenden Stellen auf unterschiedliche Weise über die Lebenssituation obdachloser Menschen informieren:
Bis zum 16.05.: Auf dem Platz der weißen Rose im Marburger Stadtwald
17.05. – 29.06.: Vor dem Erwin-Piscator-Haus
01.07. – 30.09.: Auf dem Lutherischen Pfarrhof
Zudem sind wechselnde Aktionen zu verschiedenen diakonischen Themen vor Ort geplant, unter anderem ein Kunstprojekt für die Außengestaltung des Containers. Genauere Hinweise hierzu finden sich im Internet auf dem Veranstaltungskalender unter: www.elisabeth-hat-kein-bett.de