Überlebenskampf Wohnungslosigkeit
Wohnungslose Menschen dort erreichen, wo sie sich aufhalten – das ist Teil des Konzepts der Straßensozialarbeit. Ziel der aufsuchenden Arbeit ist es, in einem respektvollen Miteinander eine Vertrauensbasis zu schaffen. Hierdurch können Menschen, die keine sozialen Einrichtungen aufsuchen, einen Zugang zu Unterstützungsangeboten erhalten. Seit dem Jahr 2022 fördert die Stadt Marburg das Gemeinschaftsprojekt von Diakonischem Werk und AIDS-Hilfe e. V. mit 20 Wochenstunden.
Sozialarbeiter Jens Schneider ist in dem Arbeitsgebiet tätig. Er verdeutlicht, dass ein Leben ohne Wohnung einem Überlebenskampf gleichkommt. „Diese Menschen habe kein zuhause, keinen sicheren und warmen Rückzugsort“. Sein Kollege Miguel Sanchez erklärt: „Wir begeben uns dorthin, wo diese Menschen ihren Alltag gestalten, sowohl auf der Straße als auch in bestimmten Ecken in der Stadt. Wir suchen sie vor Ort auf.“ Dabei sei es unerlässlich, dass die Kontaktaufnahme behutsam und unter Gewährleistung eines gegenseitigen Sicherheitsgefühls und der Privatsphäre der aufgesuchten Menschen geschieht.

Dem zusätzlichen Angebot misst Sanchez eine große Bedeutung bei: „Es hat immer – auch in Marburg – Menschen in der Gesellschaft gegeben, welche die Unterstützung der Einrichtungen für bestimmten Problematiken nicht wahrnehmen können oder einfach auf sie verzichten. Trotzdem der Bedarf ist da, Versorgung mit Essen, Hygiene, medizinische Probleme, Verwaltungskram und so weiter“. Selbst eine unfreiwillige Einsamkeit komme nicht selten vor.
Während der Corona-Pandemie entstanden ist die ist die Straßensozialarbeit inzwischen fester Bestandteil der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks. Zu den Orten, die aufgesucht werden, gehören auch die Container, die der evangelische Wohlfahrtsverband als Aufenthalts- und Übernachtungsmöglichkeit bereitgestellt hat. „Wir gehen auf die Straße und besuchen Orte in der Stadt, wo sie sich befinden. Wenn wir sehen, dass jemand offen für ein Gespräch ist, beginnen wir die Interaktion. Einmal wurden wir sogar zu dem Schlafplatz von einer Gruppe eingeladen und haben einen Termin abgemacht.“
Neben Orientierungsgesprächen bieten die Sozialarbeiter auch praktische Alltagshilfen. Sie verteilen Informationsbroschüren und versorgen die wohnungslosen Menschen mit Artikeln wie Schlafsack, Isomatte, Zelt, Kleidung und Decken. Wichtig ist Sanchez, dass bei allem Wunsch den Menschen zu helfen, immer der Respekt im Vordergrund steht und niemandem etwas aufgedrängt wird. „Wenn jemand keinen Kontakt will, lassen wir ihn in Ruhe. Vielleicht klappt es das nächste Mal.“ Er ist sich sicher: „Diese Prozesse sind nicht automatisch und brauchen Zeit“.