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Kleinwohnformen als Lösung für wohnungslose Menschen
Aktionen auf dem Lutherischen Kirchhof zum Tag der Wohnungslosen

Wie würden wohnungslose Menschen gerne leben? Das Diakonische Werk Marburg-Biedenkopf nutzte den Tag der Wohnungslosen um die Aufmerksamkeit auf Menschen ohne Obdach oder in schwierigen Wohnverhältnissen zu lenken. Ziel dabei war nicht nur, ein breites Bewusstsein für dieses Thema in der Bevölkerung zu schaffen, sondern auch, Lösungsansätze vorzustellen und eine Diskussion zu ermöglichen. Den Auftakt zu den Aktionen auf dem Lutherischen Kirchhof in Marburg bildete ein Freiluftgottesdienst, den Pfarrer Ulrich Biskamp und Diakoniepfarrer Sven Kepper gemeinsam gestalteten.

Pfarrer Ulrich Biskamp und Diakoniepfarrer Sven Kepper

Wie sehr das Verhalten gegenüber Mitmenschen auch von dessen Äußeren bestimmt wird, verdeutlichte eine Anekdote über einen Pfarrer, der sich in seiner neuen Gemeinde zunächst als Obdachloser ausgegeben hatte.

Ergebnisse der Umfrage über Kleinwohnformen 

Im Anschluss daran stellten Selina Lutz und Dr. Stephanie Weiss von der Hochschule Luzern die Ergebnisse zu ihrer Umfrage „Kleinwohnformen – Wohn- und Lebensraum mit Potenzial?“ vor. 38 wohnungslose Menschen hatten hierfür ihre Wünsche und Vorstellungen geäußert, unter anderem zu Fragen nach Platzbedarf, Wohnqualität, Standort, Wohndauer, Infrastruktur und Mitbewohnern. Das sei sicher keine repräsentative Umfrage, jedoch seien Tendenzen erkennbar. So wolle beispielsweise der überwiegende Teil der Personen lieber allein wohnen. Die beiden Mitarbeiterinnen der Luzerner Hochschule zeigten unterschiedliche Kleinwohnformen auf, darunter auch Container, Fahrzeuge und Jurten.  

Lebhafte Podiumsdiskussion

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion mit Moderator Micha Brandt stellten sich die beiden Frauen gemeinsam mit Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Matthias Knoche, Geschäftsführer der GeWoBau Marburg und Jens Schneider von der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks den Fragen des Publikums. Dazu gehörten an jenem Tag auch etliche von Wohnungslosigkeit betroffene Männer und Frauen. Ein großer Diskussionspunkt waren auch die Obdachlosenunterkünfte im Ginseldorfer Weg. Offenbar geht die Planung derzeit in Richtung Renovierung statt Abriss. Spies verdeutlichte zudem, dass jeder wohnungslose Marburger einen gesetzlichen Anspruch auf ein Dach über dem Kopf habe. Voraussetzung sei, dass der Betroffene sich bei der Stadtverwaltung melde. „Wir haben den Anspruch, niemanden auf der Straße leben zu lassen, der das nicht möchte“, so der Oberbürgermeister. Zur Frage nach neuen Wohnformen für obdachlose Menschen, wünschte er sich ein „Möglichst buntes Angebot, das zu denen passt, die dort einziehen“. Auch Matthias Knoche, Geschäftsführer der GeWoBau Marburg, plädierte dafür, die vielfältigen und individuellen Bedürfnisse mit Kleinwohnformen umzusetzen. Er gab allerdings zu bedenken: „Du wirst nicht jedes Problem rechtzeitig lösen“. Zur Frage nach einer Zukunftsvision meinte Jens Schneider am Ende der Diskussion: „Ich glaube wir kommen zu besseren Ergebnissen, wenn wir alle miteinander reden“. 
 
Das Diakonische Werk kann dank Spendengeldern seit Januar 2021 zwei Wohncontainer als Notunterkunft zur Überlebenssicherung bereitstellen. Diese sind auch fast durchgängig belegt. Ein baugleicher Container ist als Ausstellungsstück noch bis zum 30. September auf dem Lutherischen Kirchhof zu sehen. Mit Kaffee, Kuchen, Bratwurst und Salaten konnten sich die Anwesenden bei der zum Teil hitzigen Diskussion stärken. Für die musikalische Unterhaltung sorgte zum Abschluss die Band „Jazz Art Connection“.